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Stand: online seit 01/05

Patentfähigkeit von Computer-bezogenen Erfindungen
(BGH X ZB 16/00 vom 17.10.2001: "Suche fehlerhafter Zeichenketten")

Die immer noch weit verbreitete Meinung, Software wäre nicht patentiertbar, ist jedenfalls in dieser Allgemeinheit falsch. Die Sachlage muss im Einzelfall geprüft werden.

Patentschutz von Software ist seit einigen Jahren Thema kontroverser Diskussionen. Vertreten wird die Meinung, dass Software nicht durch Patente monopolisierbar sein sollte. Angesichts des großen Aufwandes, den Unternehmen bei der Entwicklung von Programmen für Datenverarbeitungsanlage, Programmen und damit verbundenen Anwendungen haben, erscheint es jedoch zweckmäßig, einen Patentschutz zu ermöglichen. Andernfalls könnte die Konkurrenz die Software kopieren und hätte einen ungerechtfertigten Nutzen von der Entwicklung. Urheberrechtlicher Schutz (Copyright), der mit der Schaffung der Software automatisch entsteht, ist nur in seltenen Fällen ein in der Praxis wirksamer Schutz gegen Nachahmung, da er nicht weit über die konkrete Fassung der Software hinaus reicht. Insbesondere wenn nur die Grundideen einer Software übernommen werden, greift der Urheberrechtsschutz nicht.

Die Möglichkeit eines Patentschutzes von Software schließt nicht aus, dass sich Gruppen von Programmierern bewusst für den Weg entscheiden, den Quellcode und die Nutzung ihrer Software jeder Person und/oder jedem Unternehmen frei zu ermöglichen und zu Weiterentwicklungen einzuladen (Open Source). Eine Koexistenz beider Formen ist möglich.

Seit mehreren Jahren ist eine für alle EU-Staaten verbindliche Richtlinie geplant1, mit der noch bestehende Unterschiede im nationalen Recht zur Patentierung von Software ausgeglichen werden sollen. Der vorliegende Artikel befasst sich jedoch mit der bisher gültigen Rechtslage in Deutschland.

Grundsätzlich ist jede Erfindung patentierbar, die einen neuen technischen Gegenstand betrifft und die eine bestimmte Erfindungshöhe erreicht. Bei der gültigen Rechtslage gibt es aber eine Reihe von Ausnahmen von der Patentierbarkeit, insbesondere Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten sowie Computerprogramme "als solche". Was unter "als solche" zu verstehen ist, hat die Rechtsprechung in zahlreichen gerichtlichen Verfahren interpretiert.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erlaubt Patentschutz, wenn das Programm einen (klassisch) technischen Bezug hat. Klassisch technisch sind die älteren Gebiete der Natur- und Ingenieurwissenschaften. In diesem Fall geht es nicht um das Programm als solches, sondern um eine (klassisch) technische Erfindung. Es gibt jedoch auch noch weitere Fälle, die außerhalb der klassisch technischen Gebiete liegen, in denen Patente für Software-bezogene Erfindungen erteilt werden dürfen.

Wenn die Vorfrage, ob die Erfindung einem Patentschutz grundsätzlich zugänglich ist, geklärt ist, ist immer noch zu prüfen, ob die Erfindung neu ist und ob eine ausreichende Erfindungshöhe vorliegt. In diesem Sinne ist also ausgeschlossen, dass so genannte "Trivialpatente" erteilt werden, wobei es in der Praxis des Patentamts natürlich (wie auf jedem anderen technischen Gebiet) vereinzelt zu Fehlentscheidungen kommen kann. In diesem Fall bleibt noch die Möglichkeit, Einspruch einzulegen oder eine Nichtigkeitsklage einzureichen.

In der oben genannten Entscheidung mit dem Stichwort "Suche fehlerhafter Zeichenketten" hat der BGH seine teils langjährige, teils neuere Rechtsprechung zu diesem Thema zusammengefasst.

Danach betreffen Patentansprüche, die zur Lösung eines Problems, das auf den herkömmlichen Gebieten der Technik liegt (also Ingenieurwissenschaften, Physik, Chemie, Biologie), die Abarbeitung bestimmter Verfahrensschritte durch einen Computer vorschlagen, technische Erfindungen. Solche Patentansprüche sind grundsätzlich gewährbar.

Wenn es sich nicht um solche klassisch technischen Erfindungen handelt, dann ist zu prüfen, ob die auf Datenverarbeitung mittels eines geeigneten Computers gerichtete Lehre sich durch eine Eigenheit auszeichnet, die unter Berücksichtigung der Zielsetzung patentrechtlichen Schutzes eine Patentierbarkeit rechtfertigt. Es ist eine Gesamtbetrachtung vorzusehen, was nach der beanspruchten Lehre im Vordergrund steht.

Zum Beispiel kann (durch geeignet formulierte Patentansprüche) ein Programm patentiert werden, wenn es in technische Abläufe eingebunden ist, etwa
  • Messergebnisse aufarbeitet,
  • den Ablauf technischer Einrichtungen überwacht,
  • oder sonst steuernd bzw. regelnd nach außen wirkt,
  • es einen Zwischenschritt im Rahmen der Herstellung technischer Gegenstände erledigt (jedoch nur, wenn diese Lösung durch technische
  • Überlegungen und deren Umsetzung geprägt ist).
  • Software ist auch dem Patentschutz zugänglich, wenn sie die Funktionsfähigkeit einer Datenverarbeitungsanlage (Computer) betrifft und somit das Zusammenwirken der einzelnen Teile des Computers ermöglicht.
  • Wenn ein Verfahren dazu dient, einen Computer auf einzigartiger Weise zu benutzen oder einen Computer auf eigenartige Weise zu benutzen, kann das Verfahren unter Umständen ebenfalls patentierbar sein.

Mit Spannung darf erwartet werden, in welcher Form die geplante EU-Richtlinie in Kraft tritt. Ursprüngliches Ziel der Richtlinie war jedoch nicht die Veränderung der in vielen EU-Ländern bereits ähnlichen Rechtslage, sondern eine weitere Harmonisierung. Daher ist nicht mit wesentlichen Veränderungen zu rechnen.

Dr. Joachim Brunotte
Patentanwalt

email: j.brunotte@patentberlin.de


1
Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss - Die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten im Binnenmarkt (Text von Bedeutung für den EWR) http://europa.eu.int/eur-lex/lex/LexUriServ/site/de/com/2004/com2004_0261de01.pdf