Von Jens Engelhardt, Darmstadt
Internetauktionen
1 Einleitung
Die Akzeptanz von
Internetauktionen ist in den vergangenen Jahren weiter gestiegen. Im
Bereich der Business-to-Consumer (B2C) und der Consumer-to-Consumer
(C2C) Marktplätze führt der dominierende Anbieter ebay eine
Entwicklung an, die geradezu als revolutionär zu bezeichnen ist.
Nach einem Bericht von FAZ.NET
hat ebay allein in Deutschland 11,4 Millionen registrierte Nutzer,
die in 2003 mit Waren im Wert von 5 bis 6 Milliarden US$ auf ebay
handelten.
Viele Unternehmen
und nahezu alle großen deutschen Konzerne nutzen
Business-to-Business- Marktplätze als Beschaffungsplattformen
und effiziente Vertriebskanäle. Beispielhaft seien hier die
Marktplätze der Newtron AG
(Automobilindustrie, technische Zulieferindustrie, administrative
Einkaufsbedarfe), von Covisint
(Automobilindustrie) und von Skill Portal AG
(IT-Services; Luftverkehr, ABC Güter) genannt.
2
Erscheinungsformen
Internetauktionen
werden in verschiedenen Formen angeboten. Allen Erscheinungsformen
ist gemein, dass der Endpreis im Vorhinein noch nicht fest steht.
In der Regel werden Internetauktionen als Zeitauktionen mit zuvor
festgelegter Laufzeit angeboten. So genannte Liveauktionen, bei denen
ein Auktionator den Zuschlag live über das Internet erteilt,
haben sich bisher kaum etablieren können.
Die von etlichen
Marktplätzen erfolgreich angebotenen Zeitauktionen werden in den
Feinheiten ihres Designs immer ausdifferenzierter, so dass
nachfolgend nur die groben Unterscheidungsmerkmale aufgezeigt werden
sollen.
2.1
Aufwärtsauktion als Zeitauktion
Im
B2C und C2C- Bereich hat sich insbesondere die klassische
Aufwärtsauktion als Zeitauktion etabliert, bei der jener
Bieter den „Zuschlag“ erhält, der das höchste
Angebot innerhalb der zuvor festgelegten Laufzeit abgibt. Bei
einzelnen Anbietern verlängert sich die Auktionslaufzeit
automatisch nach festen Regelsätzen, z.B. wenn in den letzten
zwei Minuten vor Ablauf der Auktion noch ein Gebot abgegeben wird.
2.2
Abwärtsauktion als Zeitauktion
Bei der
Abwärtsauktion als Zeitauktion fällt der angegebene Preis
einer Ware in regelmäßigen Zeitintervallen um zuvor
festgelegte Beträge. Der Bieter mit dem ersten Gebot erhält
den vom System generierten „Zuschlag“. Die Abwärtsauktion
konnte sich bisher nicht erfolgreich im B2C Bereich etablieren.
Derartige Angebote von z.B. www.underbay.de und www.atrada.de wurden
nach den Erkenntnissen des Verfassers inzwischen wieder eingestellt.
2.3 Reverse
Auction (umgekehrte Auktion)
Auf B2B-Plattformen hat sich insbesondere die Reverse Auction
durchgesetzt,
bei der die Rollen von Anbieter und Bieter vertauscht sind. Ein
Nachfrager (Einkäufer) nennt den Vertragsgegenstand und ggf.
den Maximalpreis sowie den Zielpreis, den er zu zahlen bereit ist.
Die Anbieter können sich gegenseitig unterbieten. Das niedrigste
Gebot innerhalb der Auktionslaufzeit erhält den Zuschlag.
2.4
Ausschreibungen; Powershopping (Community Shopping)
Nicht als Auktionen angesehen werden Internetausschreibungen und das
so genannte Powershopping.
Ausschreibungen
werden in der Regel im B2B-Bereich für hochwertige, nicht
vertretbare Waren und für Dienst- und Werkleistungen vom
Einkäufer (Nachfrager) initiiert, bei denen neben dem Preis
weitere Entscheidungskriterien wie u.a. Qualität,
Zuverlässigkeit, Liquidität, Erfahrung und Softskills eine
große Rolle spielen. Anders als bei Auktionen erfolgt hier kein
automatischer „Zuschlag“ nach Ablauf des festgelegten
Zeitraums, sondern der Ausschreibungsinitiator bleibt in seiner
Entscheidung welches Angebot er annimmt frei.
Beim
Powershopping
sinkt der Preis der angebotenen Ware mit der Anzahl der Käufer.
Die Bieter geben eine Art Sammelbestellung auf, indem sie sich
während einer bestimmten Frist als Interessenten für den
Kauf eines Produktes zu einem bestimmten Preis registrieren lassen.
Der Interessent ist für die Dauer der Verkaufsaktion an sein
Angebot gebunden. Nach Ablauf der zu Beginn mitgeteilten Frist steht
der endgültige Preis fest. Es werden dann nur diejenigen
Interessenten beliefert, die sich zuvor bereit erklärt hatten
mindestens den Endpreis zu zahlen. In der Regel können die
Bieter die in Preisstufen verlaufende Preisentwicklung je nach Anzahl
der aktuellen Bieter verfolgen und zu der aktuellen Preisstufe mit
ihren Geboten einsteigen.
3 Internetauktionen und Gewerberecht
Eine große rechtliche Streitfrage bei Internetauktionen ist, ob
sie nach der Gewerbeordnung
(§ 34b Abs. 1 GewO) erlaubnispflichtig sind. Die Eckpunkte der
gewerberechtlichen Rahmenbedingungen für Versteigerungen sind
neben der Erlaubnispflichtigkeit:
Die Versteigerung von Neuwaren ist grundsätzlich verboten (§
34b Abs. 6 GewO).
Vor einer Versteigerung muss den Interessenten gemäß §
9 Versteigerungsordnung Gelegenheit zur Besichtigung des
Versteigerungsgutes gegeben werden.
Eine Versteigerung an Sonn- und Feiertagen ist nach § 10
Versteigerungsordnung unzulässig.
Der Versteigerer muss die Versteigerung selbst leiten (§ 10
Versteigerungsordnung).
Naturgemäß
können Internetauktionen diese Gebote und Verbote kaum
erfüllen, ohne ihren Zweck und ihre Attraktivität
einzubüßen.
Aus § 34b
Abs. 7 GewO ergibt sich jedoch, dass B2B-Plattformen keine Erlaubnis
für Auktionen benötigen. Er legt fest, dass Einzelhändler
und Hersteller von Waren nur dann eine Erlaubnis für
Versteigerungen ihrer eigenen Waren benötigen, wenn sie sich an
Letztverbraucher richten. Im Umkehrschluss sind damit
Versteigerungsangebote der eigenen Waren an Großhändler
ausgenommen. Soweit Versteigerer fremde Waren an Unternehmen
anbieten, bestimmt § 34b Abs.10 Nr. 3 GewO, dass Versteigerungen
erlaubnisfrei sind, soweit als Bieter nur Personen zugelassen werden,
die Waren der angebotenen Art für ihren Geschäftsbetrieb
ersteigern wollen.
Die
Erlaubnispflicht des § 34b GewO bezieht sich also nur auf
Versteigerungen, die sich an Endverbraucher richten. Daher ist für
die Erlaubnispflicht dieser Internetauktionen entscheidend, ob sie
als Versteigerungen im gewerberechtlichen Sinne zu verstehen
sind.
Versteigerung im Sinne der Gewerbeordnung ist eine
Tätigkeit, die den Verkauf eines Gegenstandes zum
höchstmöglichen Preis zum Ziel hat, wobei die Preisbildung
durch Wettbewerb unter Bietern erfolgen soll. Entscheidende Merkmale
sind dabei die zeitliche und örtliche Begrenztheit einer
Versteigerung, die die Wettbewerbssituation verschärfen. Ziel
der Gewerbeordnung ist es, den Verbraucher vor den besonderen
Gefahren dieser stressigen Wettbewerbssituation in einer
Versteigerung zu schützen.
Bei Zeitauktionen im Internet
liegt eine solche vergleichbare, stressige Wettbewerbssituation nicht
vor: Der Bieter kann sich über Tage und Stunden bis zum Ablauf
der Auktion Gedanken darüber machen, ob und zu welchem Preis er
bieten möchte. Die Situation ist mit der einer öffentlichen
Versteigerung, in der ein Auktionator den Zuschlag erteilt, sobald
keine weiteren Gebote eingehen, nicht vergleichbar. Zeitauktionen im
Internet sind deshalb keine Versteigerungen im Sinne des
Gewerberechts.
Hingegen ist die
Situation bei Liveauktionen im Internet mit denen von öffentlichen
Offline- Versteigerungen vergleichbar, so dass sie erlaubnispflichtig
sind, soweit sie sich an Endverbraucher richten.
4
Vertragsschluss bei Internetauktionen
Gleich,
ob offline oder online: Voraussetzung für einen
Vertragsschluss ist die Abgabe und der Zugang eines Angebotes sowie
die Abgabe und der Zugang einer damit korrespondierenden
Annahmeerklärung.
4.1
Besonderheiten bei Versteigerungen
Gemäß
den besonderen Regeln für Versteigerungen wird das Gebot als
Angebot, der Zuschlag durch den Versteigerer als Annahme angesehen (§
156 S. 1 BGB). Abweichend von § 147 Abs. 1 BGB muss ein Gebot
jedoch nicht sofort angenommen werden, sondern es bleibt so lange
bestehen, bis es überboten wurde (§ 156 S. 2 BGB).
4.2 Geltung
von § 156 BGB bei Internetauktionen
Neben
der gewerberechtlichen Qualifizierung von Internetauktionen als
Versteigerungen, ist ebenfalls die zivilrechtliche Qualifizierung von
Internetauktionen und damit die Anwendbarkeit von § 156
BGB auf Internetauktionen streitig.
Im Ergebnis kommt
es jedoch auf eine Streitentscheidung nicht an:
Bei so genannten Live-Auktionen im Internet kann ohne weiteres von
der Anwendbarkeit von
§ 156 BGB ausgegangen werden.
Genau wie bei einer Offline-Versteigerung erteilt hier ein
Versteigerer (Auktionator) seinen Zuschlag, sobald das aktuelle Gebot
nicht mehr überboten wird. Einziger Unterschied ist, dass die
Versteigerung nicht im realen, sondern im virtuellen Raum
stattfindet. Dies aber auch nur dann, wenn eine Offline-Versteigerung
nicht nur schlicht im Internet übertragen wird, um das Bieten
auch über Fernkommunikationsmitteln zu ermöglichen.
Bei Zeitauktionen
im Internet, wird der Zuschlag nicht durch einen Versteigerer
erteilt. Vielmehr erhält der Höchstbietende bei Ablauf der
Auktionslaufzeit automatisch den „Zuschlag“. § 156
S. 1 BGB passt also nicht.
Aus diesem Grund
sind die Angebots-, Gebots- und Zuschlagskriterien und Mechanismen
meist abweichend zu § 156 BGB in den allgemeinen
Geschäftsbedingungen des Diensteanbieters geregelt.
§ 156 BGB kann als dispositives Gesetzesrecht in zulässiger
Weise explzit oder implizit durch die Festlegung abweichender
Regelungen abbedungen werden. Voraussetzung hierfür ist
selbstverständlich die wirksame Einbeziehung der AGB.
4.3
Aufwärtsauktion und Abwärtsauktion
Die
AGB von B2C und/oder C2C-Plattformen sehen zumeist vor, dass der
Verkäufer (Anbieter) mit Eröffnung der Auktion durch das
Einstellen seiner Ware oder Leistung ein verbindliches und
unwiderrufliches Angebot zum Abschluss eines (Kauf-)Vertrages
abgibt.
Das Gebot des Käufers (Nachfragers) ist die Erklärung der
Annahme dieses Angebotes unter der Voraussetzung, dass es bis zum
Zeitablauf der Auktion nicht überboten wird. Abweichend hierzu –
jedoch im Ergebnis gleich – sieht ein Teil der Rechtsprechung
und Literatur in der Eröffnung einer Auktion durch den Verkäufer
lediglich die Einladung zur Abgabe von Angeboten (invitatio ad
offerendum). Allerdings ist diese invitio ad offerendum mit der zuvor
erklärten Verpflichtung zur Annahme des bei Auktionsschluss
höchsten Gebotes verbunden. Dies sei daher als eine so genannte
antizipierte Annahmeerklärung zu qualifizieren.
Bei der
Abwärtsauktion erklärt der Käufer mit seinem Mausclick
die Annahme des Angebotes zum derzeit aktuellen Preis.
Bei
B2B-Plattformen sehen die AGB teilweise vor, dass der Verkäufer
in seiner Entscheidung frei bleibt, welches Angebot er annimmt.
Grund hierfür ist, dass für den Verkäufer neben dem
Preis auch die Bonität und Liquidität des Käufers
mitentscheidend ist. Aus diesem Grund handelt es sich bei der
Eröffnung der Auktion durch das Einstellen von Waren oder
Leistungen nicht um ein verbindliches Angebot, sondern lediglich um
eine invitatio ad offerendum. Erst das Gebot des Nachfragers stellt
dann ein verbindliches Angebot im Sinne von § 145 BGB dar. Bei
dieser Auktionsvariante verwischen sicherlich die Grenzlinien zur
(Online-)Ausschreibung. Bei dieser eröffnet allerdings
definitionsgemäß der Einkäufer (Nachfrager) die
Ausschreibung.
4.4 Reverse
Auction
Bei
Reverse Auctions werden wie bei der Aufwärtsauktion gelegentlich
AGB verwendet, die bestimmen, dass die Eröffnung der Auktion ein
verbindliches Angebot oder aber eine antizipierte Annahmeerklärung
des niedrigsten Gebotes darstellt und damit bindend ist.
Häufiger ist
jedoch – vor allem im B2B-Bereich – die Variante, dass
der Nachfrager und Initiator in seiner Entscheidung frei bleibt
welches Angebot er annimmt.
5 Ausblick und
Schluss
Sowohl B2B Plattformen als auch B2C/C2C-Plattformen werden durch
Auktionsangebote in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Sie gewährleisten
die Ausweitung des Beschaffungs- und des Absatzkreises. Damit wächst
die Wahrscheinlichkeit seine Ware/Leistung zum richtigen Preis zu
verkaufen oder einzukaufen.
Für Unternehmen sind Internetauktionen fester Bestandteil der
Beschaffungs- und Vertriebsstrategie. In der Regel bieten die
Marktplätze neben Auktionen auch die Möglichkeit von
Ausschreibungen an.
Mehrwertdienste
(value added services) der Internetplattformen ermöglichen zudem
Unternehmen ein effektives Lieferantenmangement,
Beschaffungsmarktanalysen, die Abwicklung der Bestellungen und das
Beschaffungs-Controlling über die Plattform durchzuführen.
Die Einkaufs- und Auktions-
plattform(en) werden damit immer öfter
fester Bestandteil der Geschäftsprozesse der Unternehmen.