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Stand: online seit 04/01


Assessor Jens Engelhardt, Darmstadt

Neuer Entwurf der Telekommunikations-Überwachungsverordnung Telekommunikation soll lückenlos überwachbar sein

Bericht

Nachdem das Bundesministerium für Wirtschaft und Technik (BMWi) seinen ersten Entwurf für eine Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) von 19961 nicht zuletzt aufgrund harscher Kritik seitens der Telekommunikationsdienstleister zurückgezogen hatte, legte das BMWi nunmehr Anfang dieses Jahres einen neuen Entwurf der TKÜV2 vor.

Die TKÜV gestaltet die Verpflichtung der Telekommunikationsanlagenbetreiber nach § 88 Abs. 2 Telekommunikationsgesetz (TKG)3 dahingehend näher aus, wie diese technische Einrichtungen zur Überwachung und Aufzeichnung von Telekommunikation vorzuhalten haben.

Danach hat der Verpflichtete - dies sind gemäß § 4 Nr. 13 TKÜV i.V.m. §§ 88 Abs. 1, 3 Nr. 19 TKG alle Betreiber von Telekommunikationsanlagen, die ihre Dienste der Öffentlichkeit anbieten - den ,,Bedarfsträgern`` im Falle einer Anordnung ein originalgetreues Doppel der zu überwachenden Telekommunikation (§ 5 Abs. 1 TKÜV) bereitzustellen. Daneben sind Daten wie etwa die Rufnummern, Angaben, wann die zu überwachende Kommunikation stattfand sowie bei Mobilfunknetzen zusätzlich der Standort des Endgerätes (§ 7 TKÜV), den Bedarfsträgern zu übermitteln.

Die TKÜV ist ,,technikoffen``4 formuliert und ausgestaltet. Die Bundesregierung will mithin die Möglichkeit schaffen, sämtliche Arten von Telekommunikation überwachen zu können. Aus dem Entwurf der TKÜV und deren Begründung ergibt sich insbesondere die Überwachung und Aufzeichnung von:

  • analogen Telfonanschlüssen
  • ISDN- Basisanschlüssen
  • ISDN-Primärmultiplex-Anschlüssen
  • Mobiltelefonanschlüssen
  • Funkrufanschlüssen
  • e-Mails

Rechtsgrundlage für die konkrete Anordnung zur Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation und damit für den Eingriff in das Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 Grundgesetz (GG), bilden §§ 100a, 100b StPO, das Gesetz zu Art. 10 GG sowie §§ 39, 40 des Außenwirtschaftsgesetzes.


Erfolgt eine Anordnung, hat der Verpflichtete gemäß § 5 Abs. 1 TKÜV zunächst selbst zu prüfen, ob die Anordnung den formalen gesetzlichen Anforderungen entsprechen.5 D.h., der Verpflichtete hat die Anordnung, die der Schriftform bedarf, darauf zu überprüfen, ob

  1. sie von einer dazu gesetzlich ermächtigten Stelle erlassen worden ist (§ 100b Abs. 1 StPO, Art. 5 Abs. 1 Gesetz zu Art. 10 GG oder § 40 Abs. 2 und 3 Außenwirtschaftsgesetz), diese Stelle hinreichend genau bezeichnet sowie mit der Unterschrift eines Anordnungsbefugten Funktionsträgers versehen ist;
  2. Name und Anschrift der Person bezeichnet ist, deren Telekommunikation überwacht werden soll;
  3. die zu überwachende Kennung eindeutig ausgewiesen ist;
  4. sie sich auf eine der in den zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften genannten Katalogstraftaten (§ 100a StPO, Art. 1 §2 Abs. 1 Gesetz zu Art. 10 GG, § 39 Abs. 2 Außenwirtschaftsgesetz) bezieht;
  5. die zur Überwachung berechtigte Stelle bezeichnet ist (§ 100b Abs. 3 StPO, Art. 1 § 1 Abs. 1 Gesetz zu Art. 10 GG, § 39 Abs. 2 Außenwirtschaftsgesetz) und
  6. die Dauer der angeordneten Überwachung ausgewiesen ist, wobei die Dauer der Maßnahme drei Monate - bei staatsanwaltichen Anordnungen nach 100b Abs. 1 StPO und bei Anordnungen des Bundesministers der Finanzen nach § 40 Abs.2 AWG drei Tage - nicht überschreiten darf.

Falls der Verpflichtete nunmehr zu dem Ergebnis kommt, dass die Anordnung den formellen gesetzlichen Anforderungen genügen, muss er diese unmittelbar umzusetzen. Um der unmittelbaren Anordnung nachkommen zu können, hat der Verpflichtete daher die technischen Einrichtungen entsprechend einzurichten (§ 6 Abs. 1 TKÜV). Aus der Begründung zu der TKÜV geht hervor, dass die Einrichtung der angeordneten Überwachungsmaßnahme innerhalb von zehn Minuten nach Überprüfung der Anordnung auf ihre formelle Rechtmäßigkeit abgeschlossen sein soll.6

Die Kosten für die Installation und den Betrieb der technischen Einrichtungen hat grundsätzlich der Verpflichtete zu tragen.

Anmerkung

Aus dem 18. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für Datenschutz vom 05.04.2001, geht hervor, dass die Zahl von Telfonüberwachungsanordnungen von 1995 bis 1999 um 170%, von 1998 bis 1999 um 30% gestiegen ist.7

Daraus könnte geschlossen werden, dass die Notwendigkeit der Überwachung von Telekommunikation durch öffentliche ,,Bedarfsträger``, sei es aufgrund des gestiegenen Ausmaßes der Telekommunikation, sei es aufgrund der gewachsenen Auswahl der Kommunikationsmittel, größer geworden ist.

Aus dem Anstieg der Überwachungsanordnungen kann aber auch lediglich darauf zu schließen sein, dass die Begehrlichkeit der öffentlichen ,,Bedarfsträger`` gestiegen ist.

Denn obwohl die Zahl der Überwachungsmaßnahmen von Jahr zu Jahr zugenommen hat und die Abhörbefugnisse der staatlichen ,,Bedarfsträger`` durch Aufnahme weiterer Straftatbestände in den Katalog des § 100a StPO ständig erweitert wurden, fehlt es gänzlich an aussagekräftigen Statistiken bzw. an einer Rechtstatsachenforschung zur Wirksamkeit der Fernmeldeüberwachung; oder aber ihre Ergebnisse werden geheimgehalten.8


Durch die TKÜV soll die Überwachung und Aufzeichnung von Telkommunikation jeglicher Art effektiver und umfassender ermöglicht werden. Die Kosten zur Errichtung der erforderlichen Einrichtungen haben die Telekommunikationsanbieter zu tragen. Aus diesem Grund hat auch der aktuelle Entwurf der TKÜV zur Kritik seitens der Verpflichteten geführt.9 Es steht jedoch zu erwarten an, dass die wohl erheblichen Kosten für die Installation der geforderten Überwachungsoptionen an den Kunden weitergegeben werden.

Damit werden letztendlich per se dem Bürger als Providerkunden die Kosten für seine Überwachung und Ausforschung aufgegeben, ohne dass es je zu einer konkreten Anordnung gegen ihn gekommen sein müsste.

Viel schwerer wiegt jedoch, dass die staatlichen Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 10 GG, des Fernmeldegeheimnisses, weiter zunehmen werden. Hierfür spricht zum einen die Statistik der ständig gestiegenen Abhöranordnungen und zum anderen die Tatsache, dass nach Erlass der TKÜV und deren Umsetzung durch die Telekommunikationsanbieter, die Überwachung und Aufzeichnung von einer gesteigerten Vielzahl von Telekommunikationsmitteln effektiver möglich wird.


Die meisten Anordnungen erfolgen aufgrund der §§ 100a, 100b StPO. Sie dürfen nur erfolgen, wenn der Verdacht einer sogenannten Katalogstraftat besteht und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Darüber ob und wie häufig eine Telekommunikationsüberwachung zum Erfolg führt, fehlt es an empirischen Belegen. Da kann der in § 100b StPO statuierte Richtervorbehalt, der zumal bei Gefahr in Verzug durchbrochen werden kann, nur wenig beruhigen. Denn die enorm gestiegene Zahl der Abhöranordnungen erweckt zumindest den Eindruck, dass die Überwachung des Fernmeldeverkehrs nicht wie vorgesehen die Ausnahme, sondern die Regel geworden ist.

Zahlen über die Häufigkeit, mit der Gerichte entsprechenden Anträgen der Sicherheitsbehörden folgen bzw. sie ablehnen, gibt es nicht10. Damit ist aber die Frage, ob der Richtervorbehalt die gewünschte Filterfunktion erfüllt, ungewiss.

Ungewiss bleibt auch, wie die TKÜV mit der geplanten Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes vereinbar sein soll.


Sollte daher die TKÜV erlassen werden, kann dem Kunden/Nutzer nur geraten werden, sich gegenüber Zugriffen von unbefugten Dritten dadurch zu schützen, dass er seine e-Mails verschlüsselt verschickt und seine Kommunikationspartner anhält ebenfalls eine Verschlüsselung zu benutzen.11


Zwar ist in der TKÜV eine Überwachung des Inernetverhaltens nicht vorgesehen aber auch hier empfiehlt sich für den Nutzer die Inanspruchnahme eines sogenannten Anonymisierungsdienstes.12



Fußnoten
1
Hierzu Rädler, MMR 8/1998, S. VIII; http://www.beck.de/MMR/archivalt/mmr9809/Aktuell/seite33.htm
2
Entwurf vom 25.01.01; http://www.bmwi.de/Homepage/download/
telekommunikation_post/TKUEV-Entwurf.pdf
3
TKG - abrufbar unter: http://www.netlaw.de/gesetze/tkg.htm
4
So Ernst Mannherz vom BMWi, http://www.heise.de/newsticker/data/jk-20.02.01-002
5
s. die Begründung zur ZKÜV, S. 10, abrufbar unter: http://www.bmwi.de/Homepage/download/
telekommunikation_post/TKUEV-Begruendung.pdf
6
s. die Begründung zur ZKÜV, S. 12, abrufbar unter: http://www.bmwi.de/Homepage/download/
telekommunikation_post/TKUEV-Begruendung.pdf
7
18. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für Datenschutz für die Jahre 1999 und 2000, Dr. Joachim Jacob, S. 20, abrufbar unter http://www.bfd.bund.de/information/18b9900.pdf
8
s. hierzu Hintergrundpapier zur Pressemitteilung (des Landesdatenschutzbeauftragten Schleswig-Holstein): ,,Für eine Sicherung der freien Telekommunikation in unserer Gesellschaft``, abrufbar unter:http://www.rewi.hu-berlin.de/Datenschutz/DSB/
SH/material/themen/presse/telpolhp.htm
9
Hierzu: http://www.heise.de/newsticker/data/jk-20.02.01.-002
10
http://www.rewi.hu-berlin.de/Datenschutz/DSB/
SH/material/themen/presse/telpolhp.htm
11
Vgl. hierzu den 21. Tätigkeitsbericht des Landesdatenschutzbeauftragten für Schleswig-Holstein, Kapitel 7, abrufbar unter http://www.rewi.hu-berlin.de/Datenschutz/DSB/
SH/material/tb/tb21/kap7.htm
- empfohlen wird das Programm ,,Pretty Good Privacy`` (PGP), das unter folgender URL downgeloaded werden kann: http://www.rewi.hu-berlin.de/Datenschutz/DSB/SH/material/
themen/safesurf/pgp/index.htm
12
s. Fn. 9.